Liebe Hamburger:innen,
ich liebe unsere Stadt. Ich bin stolz darauf, wie modern, weltoffen und vorausschauend Hamburg oft ist. Wir denken groß, wir packen an, wir gehen voran. Doch heute kommt ein Beitrag, der aus genau dieser Liebe zur Stadt geboren ist – und zugleich ein kleiner Weckruf sein möchte.
Letzte Woche kam meine 92-jährige Oma mich in Hamburg besuchen. Ich durfte wieder ein ganzes Wochenende lang beobachten, wie altersgerecht unsere Stadt ist – oder eben vor allem noch nicht ist. Während sie sich langsam die Treppen vom Bahnsteig hochquälte, sich mit Mühe in den Bus kämpfte und später zufrieden ihr Fischbrötchen aß, wurde mir eines wieder bewusst: Es reicht nicht, altersgerechte Infrastruktur zu schaffen. Es braucht mehr.
Unsere Stadt will altersgerecht werden – und das ist gut so. Aber sie denkt dabei oft zu sehr an Bordsteine, Sensoren und Aufzüge. Ich wünsche mir, dass wir als Hamburger:innen anfangen, auch in Wohnzimmern, Körpern und Köpfen altersgerecht zu werden.
Hamburg will altersgerecht werden – aber ohne das Bewusstsein der Hamburger:innen für Prävention wird daraus nur ein Immobilienprojekt.
Hamburg hat 2024 verkündet, altersgerecht werden zu wollen. Ein wichtiges Ziel – angesichts einer älter werdenden Stadtgesellschaft. Doch was bedeutet „altersgerecht“ eigentlich? Reichen barrierefreie Bushaltestellen, neue Wohnkonzepte und bessere Ampelschaltungen wirklich aus? Oder fehlt etwas ganz Entscheidendes?
Altersgerechte Stadt darf nicht am Bürgersteig aufhören, sondern muss in die Wohnzimmer der Hamburger.
Denn wer altersgerecht leben will, muss früh beginnen – nicht erst mit 70. Prävention beginnt mit 50. Doch wer nichts weiß, tut auch nichts.
Was nützen barrierefreie Busse, wenn man mit 70 den Einstieg nicht mehr schafft?
1. Prävention braucht Kommunikation – nicht erst nach dem Sturz.
Die meisten Menschen verdrängen altersbedingten Abbau, weil er schleichend ist – und weil niemand gerne über Schwäche spricht. Doch wer sich nicht bewusst ist, wie stark Bewegung Körper und Gehirn im Alter schützt, wird auch nichts tun.
→ Wir brauchen mehr frühzeitige, emotionale Kommunikation über Prävention – nicht als Warnung, sondern als Einladung zum Handeln.
2. Bewegung muss alltagstauglich und gehirngerecht sein – sonst funktioniert sie nicht.
Viele Fitnessprogramme scheitern, weil sie nicht zu den Erfahrungen und Fähigkeiten der Menschen ab 50 passen. Was fehlt, sind Bewegungsangebote, die Spaß machen, einfach integrierbar sind – und das Gehirn gleich mittrainieren. Denn: Wenn das Gehirn nicht mitzieht, entsteht keine neue Gewohnheit.
→ Bewegung muss mental anschlussfähig sein – dann wird sie auch gemacht.
3. Wir brauchen keine Sturzsensoren – sondern weniger Stürze.
Technik, Wohnraum und Infrastruktur helfen nur dann, wenn der Mensch selbst handlungsfähig bleibt. Wer mit 50 anfängt, seinen Körper zu pflegen, gewinnt mit 70 Lebensqualität. Doch dafür müssen Programme und Angebote sich deutlich mehr verändern.
→ Altersgerecht fängt nicht mit 70 an, sondern mit 50 – mit der Entscheidung, fit und frei bleiben zu wollen.
Hamburg kann Vorreiter bleiben. Nicht nur durch barrierefreie Infrastruktur, sondern durch Prävention in unseren Wohnzimmern – verständlich, niedrigschwellig, gehirngerecht. Lasst uns gemeinsam ein neues Bewusstsein schaffen. Lasst uns früh – nicht erst mit 70 – etwas für unsere Beweglichkeit, unsere Lebensfreude und unser gutes Altern tun. Und vor allem: Lasst uns die Scham vor dem Alter endlich wegwehen. Denn Altern ist keine Schwäche. Es ist eine Lebensphase, die wir gestalten können – wenn wir den Mut haben, rechtzeitig damit anzufangen.